Udo Lindenbergs offener Brief an alle rechtsradikalen Gewalttäter
Vorweg: Klartext. Mit Leuten, die leugnen oder es sogar richtig fanden, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden, die alle Ausländer für "Untermenschen" halten und sich selber für eine sogenannte "Herrenrasse“, rede ich nicht. Diese Unbelehrbaren brauchen nichts weiter als die volle Härte unseres Rechtstaates.
Nein, ich möchte mit denen sprechen, die hinterher sagen: Das habe ich nicht gewollt. Das habe ich nicht gewusst. Wie meine Eltern oder meine/Eure Grosseltern, die so Mitläufer waren und wahrscheinlich froh gewesen wären, wenn einer mal vernünftig mit ihnen gesprochen hätte.
Ich war noch ein Baby in den Trümmern des 2. Weltkrieges, 1946. Bin der Sohn eines Mannes, der goldene, zentrale Jahre seines Lebens für den Schwachsinn, die humanistische Bankrotterklärung der NSDAP und die verabscheuungswürdigen Verbrechen des Krieges weggeschmissen hat. Ich bin der Sohn einer Mutter, die von „nichts gewusst hat“, ahnungslos zwischen Babygeschrei, neuen Autobahnen und „Kraft durch Freude“. Da komme ich her, ne Kleinstadt (Gronau) mit damals Null Durchblick – oder wollte man es auch gar nicht so genau wissen ? Dummheit, Feigheit, geblendet sein, nicht hinter die braunen Kulissen gucken ?
Aber jetzt, 2000 – die Welt muss doch anders aussehen und wir können uns doch informieren. Wisst Ihr, ich sehe es einfach nicht mehr ein, dieses Blut- und Boden-Gepöbel, diese dumpf-dusselige selbstbe****rische Inanspruchnahme der Gewalt gegen jeden, der nicht so aussieht wie ihr, gegen jeden, der nicht in Euer uraltes, abgefu**tes Deutschland-Bild passt, in Eueren grausam-engen Horizont vom bierflutenden Stammtisch bis zum nächsten Baseballschläger-Schnitzer.
"Land der Toleranz und Weltoffenheit"
Ich hab die Schnauze nun endlich voll davon, und zwar in erster Linie als Privatmensch, der aus Gronau in die weite Welt auszog, die vielfältige Freundschaft und die knallebunte Action zu lernen und zu lehren – und da bin ich nicht allein mit Plan und Gefühl. Zig- Millionen Menschen sehen das genauso.
Wir leben gern in Deutschland und haben unsere Vision von einem Land der Toleranz und Weltoffenheit und viel farbenfrohe Musik und Spass, Party und natürlich: multi-ethnisch. Und auch: Ohne die Computerexperten aus Indien und die Hig-Tech-Partner aus USA – oder woher auch immer – und die weltweiten Businessinvestoren, kommen wir auf Dauer sowieso nicht klar. Da können wir den Laden nämlich gleich zu machen. Das weiss doch jedes Kind. Wenn es aber so weitergeht, kommen die ausländischen Cracks erst gar nicht mehr zu uns, sie sagen, da ist man ja seines Lebens nicht sicher. So schadet Ihr dem Ansehen unseres Landes in der Welt und Ihr schadet unserem wirtschaftlichen Wohlstand und an dem wollen wir doch gemeinsam arbeiten.
Ey, wir müssen doch inzwischen gelernt haben, nach den grausamen Kriegen der Vergangenheit, nach systematischem Völkermord an Juden, Sinti, Roma, Frevel an wehrlosen Kindern und Behinderten. Nach den Erschiessungen, nach den Leichenbergen und Massengräbern in Auschwitz, Dachau und Treblinka: Die Schreie waren laut und das Gas war leise.
Quelle: STERN
Mir grauts vor diesen Leuten, die vor Weitblick nichts mehr sehn,
die den Gleichschritt niemals scheuen und gemeinsam untergehn!
susa@netzgedichte.de